Das Förderprogramm sozioK_change
Wie kann ein Wechsel in der Leitungsebene einer Institution gestaltet werden? Welche Möglichkeit gibt es, neue Publikumsschichten zu begeistern? Wie können Abläufe optimiert und Strukturen langfristig verändert werden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen sich derzeit viele kulturelle Institutionen, um sich „fit für die Zukunft“ zu machen. Für die Stiftung Niedersachsen stellte sich 2015 die Frage, wie es gelingen kann, die transformative Kraft der Kunst für die lokale Gesellschaft zu nutzen und soziokulturelle Zentren wieder in soziale Kraftzentralen zu verwandeln. Durch den demografischen Wandel, die Digitalisierung und den Generationenwechsel entsteht vielerorts die Notwendigkeit, das Selbstverständnis, das Aufgabenspektrum und die Programmatik den aktuellen Entwicklungen anzupassen. Dadurch entsteht viel Veränderungsdynamik. Das Change Management bietet die Chance, mit der Unterstützung von externen Coaches neue Visionen und Strukturen zu entwickeln und Mitarbeiter*innen, Besucher* innen und Förderer*innen gleichermaßen von einer neuen Ausrichtung zu überzeugen.
Die Stiftung Niedersachsen unterstützte als Landeskulturstiftung mit ihrem Förderprogramm sozioK_change von 2015 bis 2021 soziokulturelle Kultureinrichtungen bei der Herausforderung sich zukunftsfähig aufzustellen. Im Rahmen des Programmes begaben sich die Kultureinrichtungen in einen dreijährigen Veränderungsprozess und entwickelten mit Hilfe von Berater*innen ihre Institution weiter. Die Förderung der Stiftung Niedersachsen umfasste Mittel im Umfang von bis zu 25.000 €, Unterstützung durch professionelle Berater*innen sowie Austausch- und Fortbildungsangebote. Ziel war, mit Hilfe der Organisationsentwicklung Probleme zu benennen sowie Lösungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen.
Inhalt und Tempo wurden von der Kultureinrichtung selbst bestimmt. Allerdings sollte die Institution am Ende des Prozesses anhand der selbstgesteckten Ziele überprüfen, welche Themen wie bearbeitet wurden, was an neuen Herausforderungen zwischendurch hinzukam bzw. was verloren ging. Es gab keine pauschalen Lösungen, sondern jede Institution hat passgenau ihre individuellen Strategien erarbeitet und umgesetzt.
Im Folgenden finden Sie einen kurzen Überblick über die Problemfelder:
- Generationenwechsel: Das Leben und Arbeiten, besonders in ländlichen Räumen und Kleinstädten, ist für viele gut ausgebildete Menschen nicht attraktiv. Die Konditionen sind schlecht. Die Akteure vor Ort sind vorwiegend älter. Die Qualifikationsanforderungen an die Kulturmanager*innen als „Multitalente“ steigen zunehmend.
- Ehrenamt: Die Bedürfnisse, Anforderungen und Ressourcen im Ehrenamt unterliegen einem starken Wandel. Die jüngere Generation möchte selbst gestalten, entwickeln und mitbestimmen und sich eigene Räume erschließen. Die zeitlichen Ressourcen der Jüngeren sind häufig begrenzter, die Fluktuation ist stärker und die Bindung an eine Organisation oder ein Projekt geringer. Die ältere Generation steht hingegen vor den Herausforderungen, loszulassen, Neues zuzulassen und den Jüngeren Vertrauen und Prokura zu geben.
- Organisationsstruktur: Die Struktur in den Kulturbetrieben ist häufig historisch gewachsen und die Aufgabenverteilung entsprechend sehr auf die Kompetenzen und Interessen einzelner Mitarbeiter*innen zugeschnitten. Geht ein/e Mitarbeiter*in mit komplexem Aufgabenprofil, kann die gesamte Organisation in Schwierigkeiten geraten. Dem strukturierten Wissenstransfer von Schlüsselpersonen kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Viele Einrichtungen sind außerdem in den letzten Jahren gewachsen und haben zusätzliche Aufgaben übernommen. Die Organisationsstruktur ist allerdings nicht den neuen Anforderungen entsprechend angepasst worden. Ziel der Unternehmensführung ist es, eine an die Anforderungen des eigenen Unternehmens angepasste Organisationsstruktur zu entwickeln und umzusetzen.
- Publikumsentwicklung: Das Publikum ist mit den Akteuren gealtert. Die Einrichtungen auch für ein jüngeres Publikum mit neuen Angeboten wieder attraktiv zu machen und dabei das ältere Publikum nicht zu verlieren, ist eine große Herausforderung.
- Corporate Design: Ein aktuelles Corporate Design und eine zeitgemäße Social Media Marketing-Strategie zu entwickeln sowie sich das nötige Know-how hierfür anzueignen, steht bei vielen Einrichtungen an.
- Technik: Die technische Ausstattung ist in allen Bereichen – von der Buchhaltung über Controlling und Projektmanagement bis hin zum Ticketing – an die aktuellen Standards anzugleichen.
- Ganztagsschule: Den Kindern und Jugendlichen stehen weniger Zeitfenster außerhalb der Schule zur Verfügung. Die Angebote der Kultureinrichtungen müssen angepasst bzw. neue Kooperationen und Netzwerke aufgebaut werden.
- Qualität und Spektrum kultureller Bildungsangebote: Einerseits steigt der Anspruch der Bevölkerung an professionelle Kulturvermittler und andererseits werden günstige Konditionen für die Kurse im Bildungsbereich erwartet. Qualifizierte Experten zu finden, die für wenig Geld professionelle Kurse anbieten und dafür lange Wege und Fahrzeiten in Kauf nehmen, ist eine fast unlösbare Aufgabe. Das Kursangebot sollte kontinuierlich evaluiert und inhaltlich und personell an neue Bedarfe angepasst werden.
Die genannten Punkte geben nur einen kleinen Überblick über mögliche Themen im Change Management. Auch ein Rechtsformwechsel, Softwarelösungen für Vereine und Veranstalter*innen oder Konfliktmanagement wurden häufig nachgefragt. Die Stiftung Niedersachsen hat zu den jeweiligen Themenfeldern Fortbildungen angeboten und in Austauschworkshops kollegiale Beratung ermöglicht.
Fazit
Für viele soziokulturelle Einrichtungen war der interne Aufbau einer stabilen und zukunftsfähigen Organisationstruktur der notwendige und wichtigste erste Schritt. Erst danach wurde das Corporate Design überarbeitet, neue Technik implementiert, Projekte entwickelt und ausprobiert, Besucher*innenumfragen durchgeführt oder neue Netzwerke geknüpft.
Das Zitat einer Geschäftsführerin verdeutlicht die Erfahrungen im Change Prozess recht gut: „Bei uns gab es 20 % Freude und 80 % Leid, aber heute sitzen wir alle in einem Boot und wissen, gemeinsam können wir alles erreichen.“
