Mitgliedergewinnung

Ein Beitrag von Daniela Koß und Marion Dunkert

Wie kommt der Verein zu neuen Mitgliedern?

Mitglieder kommen und gehen. Problematisch wird es erst dann, wenn sehr aktive Mitglieder den Verein verlassen und die Arbeit nicht mehr geleistet werden kann. Viele soziokulturelle Zentren und kleine Kulturinitiativen, die als Verein gegründet wurden, stehen heute vor der Herausforderung, sinkende Mitgliederzahlen zu kompensieren und die Aufgaben neu zu verteilen. Damit Institutionen weiter bestehen und wachsen können, ist es entscheidend aktiv zu werden und gezielt neue Mitglieder anzusprechen.

Generationenwechsel und Überalterung der Vereine

Ein Grund für sinkende Mitgliederzahlen ist unter anderem der anstehende Generationenwechsel, der bei vielen Vereinen, die in den 1970er oder 1980er Jahren gegründet wurden, gerade ansteht oder vollzogen wird. Besonders wenn der gesamte Vorstand aus älteren Personen besteht, die in absehbarer Zeit aus dem Amt ausscheiden werden und der Nachwuchs fehlt, kann es zu Problemen bei der Neubesetzung der Vorstandsposten kommen. Teils sind auch die Aufgaben, die eine Person wahrnimmt, über die Jahre immer mehr gewachsen und spezifisch auf die ausführende Person zugeschnitten. Daher gestaltet sich eine direkte Übertragung auf ein neues Mitglied eher schwierig.

Um zukunftsfähig zu bleiben, sollten bestehende Strukturen analysiert und neue Ideen zur Mitgliedergewinnung und zur Aufgabenteilung entwickelt werden. Die damit verbundene erste Herausforderung ist es, den Mitgliederschwund und die damit einhergehende Gefahr für den Verein zu erkennen und Veränderung zu wollen. Die eigenen Schwächen wahrhaben zu wollen, kann häufig sehr schwerfallen und dazu führen, dass viele Mitglieder den notwendigen Veränderungen erst einmal mit Abwehr gegenüberstehen. Gerade ältere Generationen stehen vor der Herausforderung, Liebgewonnenes aber Veraltetes loszulassen, Neues zuzulassen und dem jüngeren Nachwuchs Vertrauen zu schenken. Bei den Changeprozessen gilt es, die Sorgen der vorhandenen Mitglieder in Bezug auf Veränderungen möglichst frühzeitig zu erkennen, sensibel zu thematisieren und ernst zu nehmen.

Ein Verein wird getragen von seinen Mitgliedern und es ist dieses Engagement, welches von außen wahrgenommen werden kann. Diese – häufig ehrenamtlich geleistete – Arbeit sollte sichtbar gemacht werden und regelmäßig Wertschätzung erfahren. So schafft man es, nicht nur stetig neue Mitglieder zu gewinnen, sondern auch bestehende Mitglieder zu binden. Der Verein kann zudem von den individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen seiner Mitglieder profi-tieren. Durch aktive Teilhabe und Miteinbeziehung aller können sowohl Identifikationsmomente geschaffen, als auch gemeinsame Visionen oder Ziele entwickelt werden, für deren Umsetzung sich viele mitverantwortlich fühlen.

Praktische Tipps

  • Bereits bestehende Mitglieder und ihre Netzwerke nutzen
    Die besten Fürsprecher*innen für den Verein sind die eigenen Mitglieder. Diese sollten mobilisiert und in die Akquise mit eingebunden sowie bestehende Netzwerke genutzt werden. Da die Menschen auf den direkten Kontakt mit Freunden oder Bekannten i. d. R. positiv reagieren und die Hürden „den ersten Schritt zu gehen“ geringer sind, ist die persönliche Ansprache häufig erfolgversprechender als Werbekampagnen. Zum Beispiel kann man ein Angebot entwickeln, bei dem jedes Mitglied eine*n Freund*in bzw. ein potenzielles neues Mitglied zur nächsten Veranstaltung mitbringt.
     
  • Durch Aktionen Anreize schaffen
    Gibt es exklusive oder niedrigschwellige Aktionen oder besondere Anreize für neue Mitglieder? Manche Vereine bieten gemeinsame Reisen oder attraktive interne Veranstaltungen, freien Eintritt oder sonstige Vergünstigungen wie Schnuppermitgliedschaften oder Partnertarife für Mitglieder bzw. neue Mitglieder an.
     
  • Durch Aktionen Aufmerksamkeit generieren
    Eine oder mehrere öffentlichkeitswirksame Aktionen bleiben nicht unbemerkt und können auf die Arbeit des Vereins aufmerksam machen. Außerdem kann einem großen Publikum gezeigt werden, wie viel Spaß es machen kann, wenn man Vereinsmitglied ist und sich aktiv an Aktionen beteiligt.
     
  • Multiplikatoren gewinnen
    Gibt es Multiplikatoren oder wichtige Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft oder Politik, die für den Verein werben können? Solche Schlüsselpersonen können als Unterstützer*innen für den Verein viel bewirken.
     
  • Präsenz zeigen
    Eine gelungene und breit aufgestellte Öffentlichkeitsarbeit schafft es über verschiedene Kanäle das Zielpublikum über Neuigkeiten zu informieren und das Interesse an der eigenen Arbeit zu fördern. So können potenzielle neue Mitglieder angesprochen und langfristig gebunden werden.
     
  • Design Thinking
    Eine innovative Möglichkeit sich dem Thema Mitgliedergewinnung zu nähern ist die Design-Thinking-Methode. Dabei handelt es sich um einen Kreativprozess zur Ideenfindung. Mithilfe der Methode werden Lösungsansätze und Konzepte aus der Sicht potenzieller Mitglieder entwickelt: Welche Bedürfnisse, Erwartungen und Motivation haben die Mitglieder, die dem Verein noch fehlen? Und mit welchen Strategien und besonderen Angeboten überzeugt man sie? So wird nicht auf die eigenen Anforderungen fokussiert, sondern das zukünftige Mitglied danach befragt, was es besonders gerne oder besonders gut macht und welche Hürden ihn davon abhalten, sich im Verein zu engagieren. So lassen sich z. B. Aufgaben individuell auf die Bedürfnisse der neuen Mitglieder zuschneiden und man kann lernen, nicht auf alten Zuschnitten zu beharren.
     
  • Raum für Neues schaffen
    Neue Mitglieder bringen neue Ideen und Visionen mit. Hierfür sollten Raum und Kapazitäten geschaffen werden, damit eine individuelle Entfaltung stattfinden kann. Diese gegebenen Möglichkeiten können Anreize schaffen, sich überhaupt erst im Verein engagieren zu wollen.
     
  • Niedrigschwellige Teilnahme ermöglichen
    Manche Mitglieder möchten sich selbst verwirklichen, andere möchten sofort aktiv werden oder helfen und wiederum andere möchten nur dabei sein und genießen die Gesellschaft. Manchmal benötigen neue Mitglieder Zeit, um herauszufinden, was für sie das Richtige ist. Unterstützen Sie die „Neuen“ darin, ihre/seine Aufgabe zu finden und das richtige Maß zu ermöglichen.
Ein Beitrag von
Daniela Koß
Stiftung Niedersachsen
Programmleitung sozioK_change
und
Marion Dunkert
Kulturwissenschaftlerin

Kurzbiografien

Daniela Koß:

Daniela Koß ist als Kulturwissenschaftlerin M.A. seit 2010 bei der Stiftung Niedersachsen tätig und verantwortlich für den Förderbereich Theater und Soziokultur. In ihrer Arbeit berät sie zahlreiche Akteure und konzipiert und betreut innovative Förderprogramme. Dazu gehören sozioK_change, ein Programm, das Transformationsprozesse in der Soziokultur begleitet und auch das Festival Freier Theater „Best OFF“, das unter ihrer Leitung alle zwei Jahre die besten Inszenierungen der niedersächsischen Szene zeigt. Neben zahlreichen Vorträgen und Artikeln wurde 2015 unter ihrer Federführung das Handbuch Soziokultur und 2017 in Zusammenarbeit mit Prof. Wolfgang Schneider und Beate Kegler die Publikation über Entwicklungen in ländlichen Räumen Vital Village veröffentlicht. Sie ist Mitglied in diversen Jurys und unterrichtet zu den Themen Kulturfinanzierung und Changeprozesse.

 

Marion Dunkert:

Marion Dunkert studierte nach dem Abitur und einem FSJ Kultur Theaterwissenschaft und Komparatistik in Mainz und Wien. Hospitanzen und Assistenzen führten sie an das Theater Osnabrück, das TAG in Wien und das Mainfrankentheater in Würzburg. Erste Erfahrungen im Bereich der Festivalkoordination sammelte sie beim Heidelberger Stückemarkt, dem Forecast Festival in Berlin und dem Fringe Festival in Stockholm. Nach dem Masterstudium der Kulturwissenschaften und Ästhetischen Praxis an der Universität Hildesheim war sie für das Best OFF-Festival Freier Theater der Stiftung Niedersachsen tätig. Heute arbeitet sie für die Künstlerstadt Kalbe in Sachsen-Anhalt und begleitet die junge Kulturinitiative auf dem Weg zur Professionalisierung.