Die Kommune – das unbekannte Wesen
Tipps und Strategien zur erfolgreichen Durchsetzung
Ein Beitrag von Elke Flake
Soziokulturelle Einrichtungen haben immer einen engen Bezug zu ihrem kommunalen Umfeld. Sie prägen mit ihrer Praxis die Stadt, den Stadtteil, das Dorf und manchmal auch die Region. Dieser gesellschaftliche Kontext prägt auch sie. Die Einrichtungen sind kommunale Akteure. Sie sind aber auch abhängig von ihrer Kommune, zumindest wenn es um die Finanzen geht. Nach einer Statistik der Bundesverbandes Soziokultur aus dem Jahr 2019 finanzieren sich die soziokulturellen Zentren zu 52 % aus selbst erwirtschafteten Mitteln. Der Rest erfolgt über öffentliche Zuschüsse, Stiftungsgelder und Sponsoring. Für vorhabenbezogene zeitlich befristete Projektmittel gibt es viele Geldgeber. Anders ist es aber bei der Grundfinanzierung für Personal und unmittelbare Betriebskosten. Hier braucht es eine dauerhafte Finanzierung. 80 % der institutionellen Förderung erfolgt über die Kommunen. In diversen Bundesländern, wie z. B. in Niedersachsen, ist die kommunale Förderung die einzige Möglichkeit, die notwendigen Grundkosten zu finanzieren. Und hier liegt gerade im ländlichen Raum ein Riesenproblem. In strukturschwachen Gebieten haben die Kommunen selbst große Finanzprobleme und tun sich schwer, Kultureinrichtungen in freier Trägerschaft dauerhaft zu unterstützen. Oft fehlt auch die Erkenntnis bei den Entscheidungsträgern, dass eine Grundfinanzierung notwendig ist. Kulturvereine, wie auch alle anderen Vereine, so heißt es, werden ehrenamtlich betrieben. Wenn man einem einzigen Verein regelmäßige Zuschüsse gäbe, dann hätten auch alle anderen Vereine ein Recht darauf und das sei nicht leistbar. So lautet zumindest die Meinung vieler Mandatsträger.
Manchmal geht die rein ehrenamtliche Praxis der Einrichtungen ja auch über viele Jahre gut, weil es quasi „unbezahlte Hauptamtliche“ gibt, die regelmäßig und kontinuierlich mehr als zwanzig Arbeitsstunden in der Woche für die Grundstruktur des Vereins aufbringen. Irgendwann, meistens nach einem Generationenwechsel, ist das aber vorbei. Der Kulturverein ist groß geworden, er ist Dienstleister im Kulturbereich für viele geworden. Es gibt eine Menge Verwaltungsarbeit und geschäftsführende Tätigkeiten, die kaum noch jemand ehrenamtlich erledigen kann. Wenn auch immer noch genügend Ehrenamtliche für die einzelnen Veranstaltungen und Projekte da sind, so ist doch eine bezahlte Kraft zur Aufrechterhaltung der Struktur notwendig. Das kann bei kleinen Einrichtungen im ländlichen Raum eine Teilzeitkraft mit fünfzehn oder zwanzig Wochenstunden sein. Aber die verhältnismäßig kleine Summe von oftmals nur 20.000 € pro Jahr kann nicht erwirtschaftet und auch nicht aus Projektgeldern finanziert werden. Und so sind viele Einrichtungen in ihrer Existenz gefährdet, wenn nicht regelmäßig kommunale Gelder fließen.
Aber das ist oft schwieriger als gedacht. Einfach nur einen Antrag auf Förderung zu stellen, reicht fast nie. Es braucht dazu viel Überzeugungskraft, Zähigkeit und meistens ein gut durchdachtes Vorgehen. Ein Erfolgsrezept, das man einfach nachkochen kann, gibt es nicht. Jede Kommune ist anders. Dieser Artikel soll das notwendige Grundwissen zum Umgang mit der Kommune vermitteln und einige praktische Tipps geben, damit man nicht immer in die gleiche Falle läuft.
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg...
Es gibt einen Satz des ehemaligen Verwaltungschefs meiner Kommune, der mir bis heute haften geblieben ist. Im Gespräch mit ihm über die Finanzlage der Kommune sagte er: „ Für das, was gewollt wird, ist immer irgendwie Geld da“. Er meinte das keinesfalls zynisch und auch nicht unrealistisch. Eine zweite Elbphilharmonie wäre in meiner Stadt sicher nicht finanzierbar, aber wahrscheinlich auch nicht wirklich gewollt. Das Zauberwort heißt GEWOLLT. Nur, wenn die kommunalen Entscheidungsträger zum Zeitpunkt der Entscheidung überzeugt sind, die Einrichtung als unverzichtbar einzuschätzen und zu wollen, wird man sich mit einem Wunsch nach institutioneller Förderung durchsetzen. Doch, wie schafft man das, gewollt zu werden?
Kultur ist systemrelevant!
Der Vertreter eines Kulturvereins in einer Kleinstadt, der sich nach vielen Jahren und großer Existenznot die Finanzierung einer Teilzeitstelle durch eine langjährige Förderung der Kommune sichern konnte, antwortete auf die Frage nach dem wichtigsten Kriterium für den Erfolg: „Der wichtigste Schritt war, als wir uns selbst in einem Entwicklungsprozess klargemacht haben, wie wichtig und unverzichtbar wir für unsere Stadt sind. Ohne diese Erkenntnis hätten wir nicht überzeugend auftreten können“. Das hört sich banal an, ist aber eines der Grundelemente zur Durchsetzung. Ich muss überzeugt von der Bedeutung und dem Bedarf für meine Einrichtung in der Kommune sein und ich muss das auch kompetent vertreten können. Vereinsvertreter*innen, die sagen, Kultur und unsere Arbeit sind wichtig, dieses aber in Bezug auf die Gegebenheiten in ihrer Kommune nicht untermauern können, werden scheitern.
Schauen wir uns einmal die Einrichtungen an, die seit der Gründungswelle der soziokulturellen Zentren in den achtziger und neunziger Jahren überlebt haben und eine dauerhafte institutionelle Förderung erhalten. Bei vielen hat es mehrere Jahre gedauert, bevor die ersten festen Zuschüsse flossen. Fast immer waren aber vier Bedingungen ausschlaggebend für den Erfolg:
- hohes Engagement und Herzblut für die Einrichtung
- hohe Kompetenz, sowohl in der Sache, als auch in der Kenntnis der Kommune
- Zähigkeit und Hartnäckigkeit
- das offene „Durchsetzungs-Fenster“, das rechtzeitig erkannt wird.
Der erste Punkt erklärt sich von selbst. Ich muss für etwas brennen, wenn ich andere überzeugen will. Ich darf aber auch kein „Spinner“ sein und den Eindruck eines unrealistischen Träumers hinterlassen. Es gibt nichts Schlimmeres bei einem Gespräch mit Vertretern der Kommune, wenn ich entscheidende Fragen nicht beantworten kann und herumschwafele. Das sind z. B. Fragen zur Statistik: Wie viele Besucher*innen kommen zu den Veranstaltungen, woher kommen sie, welche Altersgruppen erreicht der Verein? Das sind, ganz wichtig, Fragen zur Wirtschaftlichkeit: Wie hoch ist der Jahresumsatz, wie setzt er sich zusammen, wieviel Zuschuss benötige ich von der Kommune? Was will ich mit diesem Zuschuss machen und wieso geht es nicht ohne? Ein Tipp: Bevor ich zur Kommune gehe, sollte ich mir all diese Fragen selbst stellen und die Grundlagen erarbeiten. Man kann das auch als Übung in der Gruppe machen und ein Teil der Gruppe versetzt sich in die Rolle des Skeptikers, der hinterfragt und nachhakt. Dann tauchen schnell die Schwachstellen auf, an denen weiter gearbeitet werden muss.
Kompetenz braucht es aber auch in der Kenntnis der jeweiligen Kommune. Wenn ich nicht weiß, wie die Mehrheitsverhältnisse in meiner Kommune sind, wenn ich nicht über die wesentlichen Akteure informiert bin, rede ich schnell dauerhaft mit den Falschen oder trete ins Fettnäpfchen. Ich empfehle dazu, ab und zu bei einer Ratssitzung und/oder einer Kulturausschusssitzung zuzuhören. Die sind öffentlich und geben ein gutes Bild über einflussreiche und weniger einflussreiche Personen und die Gesprächskultur. Hilfreich ist auch die regelmäßige Lektüre des Lokalteils der Zeitung. Da erfahren wir, was gerade die wesentlichen Themen sind. Und die prägen die Realität von Ratsmitglied und Verwaltung. Wenn das lokale Jugendzentrum gerade geschlossen werden soll, damit Personal für den Kindergarten finanziert werden kann, wenn dem kommunalen Schwimmbad gerade die Zuschüsse gestrichen wurden, dann sind die Bedingungen zur Durchsetzung sicher nicht gut. Da heißt es oft, die Eiszeit zu überwinden und sehr bescheiden daher zu kommen. Andererseits kann es auch positive Durchsetzungsfaktoren geben. Eine Umfrage, die der Kommune wenig Attraktivität im Freizeitwert bescheinigt, kann als Hebel genutzt werden. Wichtig ist, sich in die Köpfe der Entscheidungsträger hinein zu versetzen. Und noch ein wichtiger Rat: Es ist mehr als sinnvoll, sich mit dem Haushalt der Kommune zu beschäftigen. Wieviel Geld bewegt die Kommune pro Jahr? Hat sie Überschüsse oder Defizite, ist sie überschuldet? Zahlt sie Zuschüsse und wenn ja, an wen und in welcher Höhe? Danach wird die Einrichtung in der Lage sein, ihre Situation realistisch einzuschätzen und nicht überzogene Forderungen zu stellen. Die Haushalte der jeweiligen Gemeinde sind in der Regel im Internet zu finden. Wenn nicht, kann man ein Ratsmitglied seines Vertrauens bitten, einen Haushaltsplan zur Verfügung zu stellen.
Der dritte Punkt ist oft sehr frustrierend. Es kann manchmal Jahre dauern, bis man sich durchsetzt. Da muss es dann heißen: Bloß nicht aufgeben. Überlegen, woran der letzte Anlauf gescheitert ist, daraus lernen und weiter dranbleiben. Es kann einfach sein, dass die Zeit noch nicht reif war. Es braucht für die Durchsetzung immer ein offenes Fenster, das heißt Umstände, die oftmals unerwartet den Durchbruch bringen. Im einfachsten Fall sind das bevorstehende Wahlen, die es zu nutzen gilt. Das können auch in Aussicht gestellte Förderprogramme von Bund oder Land sein, eine neue Koalition im Land mit neuem Programm im Kulturbereich. Oder auch gesellschaftliche Ereignisse: Ohne Fukushima wäre ein Atomausstieg so schnell nicht möglich gewesen. Die jetzige Corona Krise wird viel zur Digitalisierung der Schulen beitragen, vielleicht auch die Erkenntnisse über die dauerhafte Sicherung kleiner Kultureinrichtungen schärfen. Diese Fenster gilt es zu erkennen und den Fuß in den Fensterspalt zu setzen.
Wie gesagt, jede Kommune ist anders und es gibt nicht das allgemeingültige Erfolgsrezept. Je nach Umfeld und den handelnden Akteuren muss sich jede Einrichtung ihre eigene Strategie erarbeiten. Einige allgemeingültige Tipps zum Umgang mit Rat und Verwaltung sollen hier aber noch gegeben werden.
1. Grau ist alle Theorie
Nach der Theorie der Kommunalen Selbstverwaltung bereitet die Verwaltung die Beschlüsse des Rates vor, dieser beschließt bzw. verändert sie nach ausführlicher Debatte und macht Zielvorgaben. Die Verwaltung setzt die Beschlüsse um, der Rat kontrolliert die Umsetzung und der Kreislauf beginnt von neuem. In dieser Theorie ist der Rat der absolute Souverän und steht im ständigen Austausch mit der Verwaltung. Die Praxis in den meisten Kommunen sieht anders aus. Oftmals bereitet die Verwaltung die Beschlüsse im „closed shop“ Verfahren vor. Es wird zunächst in der Verwaltung eine abgestimmte Verwaltungsmeinung erzeugt. Die Information an die Politik erfolgt erst spät mit der Beschlussvorlage oder gar nicht. Andersherum erfolgt die Beschlussfassung durch den ehrenamtlichen Rat oft unter Zeitdruck. Die Antragsmacht des Rates ist begrenzt, die Verwaltung kann unliebsame Beschlüsse lange ausbremsen. Der Rat ist oft uneinig und zerstritten, manchmal dominiert Parteienpolitik die Sachpolitik. Als dritte nicht offizielle Macht gibt es noch die „einflussreichen Kreise“, die oftmals erheblicher einwirken, als man denkt.
2. Jede*r hat seine eigene Realität
Menschen leben in unterschiedlichen Realitäten. Deine ist sicher eine andere als die deines Gegenübers.
3. Ein gutes Konzept und eine gute Strategie sind die halbe Miete
Je größer das Vorhaben, desto wichtiger ist ein durchdachtes und gut ausgearbeitetes schriftliches Konzept. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn zum ersten Mal ein größerer Antrag auf Förderung gestellt wird. Ein gutes Konzept sollte immer enthalten:
- Aufgabe und Zielsetzung der Einrichtung unter Berücksichtigung lokaler Bedarfe und des Umfeldes,
- Zielgruppe (lokal, regional),
- konkretes Angebot und Anzahl der Aktivitäten einschließlich geschätzter Nutzerzahlen,
- ein seriös durchgerechneter Wirtschaftsplan mit einem Stellenplan (falls mehrere hauptamtliche Stellen da sind),
- notwendiger Zuschuss der Kommune und andere Finanzierungen durch Einnahmen und Drittmittel.
Man kann sich das wie ein gut ausgearbeitetes Angebot für einen kommunalen Auftrag vorstellen. Auch hier gilt: Seitenlange theoretische Ausführungen passen an die Universität, überzeugen aber nicht in einem Durchsetzungskonzept. Zudem haben wir es bei Ratsmitgliedern mit ehrenamtlich Tätigen zu tun, die keine informierten Fachleute sind.
Erzeuge beim Leser ein klares Bild wie in einem Film. Nur ein konkretes, an die kommunalen Realitäten angepasstes Konzept kommt in den Köpfen an.
Ein Hinweis noch zum Schluß:
Die Kommune ist nicht nur der Rat und die Verwaltung, sondern die Gemeinschaft aller Einwohner*innen. Wir selbst sind als ihre Bürger*innen Teil der kommunalen Sebstverwaltung und auch Akteure. Die Öffentlichkeit, die Aufmerksamkeit der anderen Bürger*innen und die Medien spielen manchmal die entscheidende Rolle. Nutze sie!
